VLK-Bundesdelegiertenversammlung 2015 fasst Beschluss zur Flüchtlingspolitik

31.10.2015

Bundesdelegiertenversammlung der VLK 30./31. Oktober 2015, Berlin, Beschluss Antrag Nr. A01-15

Zuwanderungspolitik vor Ort effizient und menschlich gestalten

Auf der Flucht vor Krieg, Terror und Verfolgung in ihren Heimatländern, manchmal auch aus wirtschaftlicher Not heraus, suchen mehr Menschen als je zuvor Zuflucht in Deutschland. 2015 werden es nach Prognose der Bundesregierung voraussichtlich ca. 800.000 Personen sein, viermal so viele wie im Jahr 2014, die sich von einem Leben bei und mit uns in Deutschland Schutz und eine Perspektive für sich und ihre Kinder erhoffen.

Wir sind der Meinung, dass Deutschland diese große humanitäre Herausforderung meistern und sogar an ihr wachsen kann. Es ist eine große Welle der Hilfsbereitschaft bei vielen Bürgern entstanden, die unentgeltlich und ehrenamtlich ihre Zeit zur Verfügung stellen, um Flüchtlinge in Deutschland willkommen zu heißen und sie durch Sprachunterricht, bei Behördengängen oder durch Sachspenden zu unterstützen. Um diese Hilfsbereitschaft und Offenheit der Bevölkerung und damit den sozialen Frieden in unserem Land zu erhalten, bedarf es größter Anstrengung auf Seiten von Politik und Verwaltung.

Die Länder und Kommunen sind durch den anhaltenden Flüchtlingsstrom mehr gefordert denn je. Sie kommen längst an die Grenzen ihrer Kapazitäten und Belastbarkeit. Damit sie ihre Aufgaben der Flüchtlingsunterbringung und der ärztlichen Versorgung auch weiterhin erfüllen können, benötigen sie zusätzliche finanzielle Unterstützung und ein entschlossenes, schnelles Handeln der Bundesregierung.

Eine gelungene Integration setzt voraus, dass keine dauerhafte Überlastung der Gesellschaft eintritt. Die VLK unterstützt deshalb den 10-Punkte-Plan und den Beschluss vom 26.10.2015 des FDP-Präsidiums (http://www.fdp.de/sites/default/files/uploads/2015/10/26/2015-10-26- prae-perspektiven-fuer-schutz-von-kriegsfluechtlingen.pdf) für eine bessere Flüchtlings- und Einwanderungspolitik und schließt sich den Forderungen, insbesondere nach einer finanziellen Verantwortung des Bundes für die Flüchtlingsaufnahme, der zusätzlichen Einstellung von Personal zur Beschleunigung der Bearbeitung von Verfahren und die pauschale Anerkennung von Flüchtlingen aus Syrien, Irak und Eritrea sowie nach einer unbürokratischen Organisation der Gesundheitsversorgung, an.

Ebenfalls unterstützt die VLK die Forderungen, insbesondere nach vollständiger Weiterleitung von Bundesmitteln für die Flüchtlingsunterbringung an die Kommunen ohne Abzüge und nach der Gewährung von mindestens zwei Wochen Vorlaufzeit bei der Zuteilung von Flüchtlingen oder der Bereitstellung von Notunterkünften im Amtshilfeverfahren.

Die Vereinigung Liberaler Kommunalpolitiker (VLK) sieht darüber hinaus in den folgenden Bereichen Handlungsbedarf:

I.

  1. Ehrenamtliche Initiativen verdienen Anerkennung und Unterstützung. Die enorme Hilfsbereitschaft der Bürgerinnen und Bürger angesichts der zweifellos mit vielen Belastungen verbundenen Flüchtlingssituation ist erfreulich.

    Sie findet ihren Ausdruck auch im ehrenamtlichen Einsatz vieler Hilfsorganisationen und bürgerschaftlichen Initiativen. Dieses Engagement verdient Anerkennung und Unterstützung. fordern deshalb, Freundeskreise besser zu vernetzen, gegebenenfalls Ehrenamtliche zu qualifizieren und versicherungstechnisch zu unterstützen.

  2. Tariftreuegesetz

    Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge sind die Kommunen gesetzlich verpflichtet, die Regelungen des Tariftreuegesetzes einzuhalten. Dies bedeutet, dass auch bei der Auftragsvergabe Sach- und Dienstleistungen, die dringend und kurzfristig für die Errichtung und den Betrieb von Flüchtlingsunterkünften benötigt werden, sämtliche vom Gesetz vorgeschriebenen Vergabekriterien geprüft und eingehalten werden müssen. Dies ist in der Praxis, wo für die Kommunen aufgrund der oftmals sehr kurzfristigen Zuweisung neuer Flüchtlinge eine mittel- bis langfristige Planung nicht möglich ist und manche Sachleistungen wegen Knappheit am Markt kaum noch verfügbar sind, ein unzumutbarer bürokratischer Aufwand, der den Spielraum der Kommunen unnötig einschränkt.

    Die VLK fordert daher eine sofortige Freistellung der Kommunen von der Einhaltung des Tariftreuegesetzes für die Vergabe von Aufträgen, die der Versorgung und Unterbringung von Flüchtlingen dienen.

  3. Königsteiner Schlüssel

    Die Verteilung der Flüchtlinge auf die Bundesländer erfolgt nach dem Königsteiner Schlüssel und wird zu zwei Drittel nach dem Steueraufkommen und zu einem Drittel nach der Bevölkerungszahl berechnet. Die Verteilung auf die Kreise wiederum erfolgt zu 90% nach ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung und zu 10% nach ihrem Flächenanteil. Nach diesen Kriterien werden die Flüchtlinge nach einem fairen Verfahren anteilig verteilt. Nicht berücksichtigt wird jedoch die Tatsache, dass sich einige Regionen in der Lage sehen, mehr Flüchtlinge aufzunehmen, als der Verteilerschlüssel für sie vorsieht, andere jedoch nicht die notwendigen Kapazitäten aufweisen, um die für sie ermittelte Anzahl von Menschen unterzubringen.

    Die VLK fordert daher die Möglichkeit eines flexiblen Ausgleichs von Über- und Unterkapazitäten bei der Flüchtlingsunterbringung, so dass Regionen mit freien Kapazitäten die Möglichkeit haben mehr Personen unterzubringen und dafür finanziell entlastet werden, andere weniger.

  4. Bürokratieabbau bei der Errichtung von Flüchtlingsunterkünften

    Die Aufgabe, die täglich zu Tausenden eintreffenden Flüchtlinge unterzubringen, stellt die Kommunen vor eine immer schwerer zu lösende Aufgabe, da bestehende Kapazitäten bereits voll ausgeschöpft sind und es kaum möglich ist, in der Kürze der Zeit zusätzliche Unterbringungsmöglichkeiten zu schaffen.

    Die VLK fordert daher eine Vereinfachung der Bauvorschriften für die Umwandlung leer stehender öffentlicher Gebäude in Flüchtlingsunterkünfte, z.B. bei der Energiesparverordnung, um den Kommunen so eine schnelle und unkomplizierte Schaffung von Flüchtlingsunterkünften zu ermöglichen. Standardvereinfachung und Bürokratieabbau können als Modellprojekt für die gesamte Gesellschaft dienen.

  5. Standardvereinfachung und Bürokratieabbau können als Modellprojekt für die gesamte Gesellschaft dienen.

II.

Die vorhergesagte starke Erhöhung der zu erwartenden Flüchtlingszahl in diesem Jahr wird entsprechend auch die Zahl der vor Ort unterzubringenden Flüchtlinge erhöhen. Das wird massive Anstrengungen bei der winterfesten Unterbringung und Betreuung vor Ort erfordern.

Die VLK tritt ein für:

  1. Die Flüchtlinge sind so vor Ort unterzubringen, dass die Integration gelingen kann. Wichtig ist für eine umfassende vorsorgliche Transparenz die vollständige Information der Bevölkerung, sobald eine Maßnahme örtlich konkret geplant ist.
  2. Private Initiativen, die den Flüchtlingen bei der Unterbringung, Verpflegung oder Bildungs- und Sportaktivitäten helfen, müssen von der Kommune unterstützt werden. Ein Integrationspakt mit der Wirtschaft kann von der Kommune initiiert werden.
  3. Zur Integration gehört ein schneller Zugang zu sprachlicher Bildung und beruflicher Ausbildung. Deutschkenntnisse sind auch bei denen hilfreich, die in ihr Land zurückkehren.
  4. Der Beschlagnahme von Privateigentum zur Flüchtlingsunterbringung erteilt die VLK eine klare Absage. Wir fordern die Bundes- und Landesregierungen auf, erst einmal nicht genutzte Immobilien des Bundes und der Ländern für die Unterbringen von Flüchtlingen umzufunktionieren.

III.

Zur Unterstützung der Kommunen ist sofortige Hilfe notwendig:

Die VLK fordert einen nationalen Aktionsplan unter Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände, Ländern und des Bundes. Dieser muss schnell organisiert werden, damit die Kommunen noch vor dem Winter koordinierte Unterstützung erhalten. Dieser wird durch einen europäischen Aktionsplan ergänzt, um ein europäisches Konzept für eine gemeinsame Asyl-, Flüchtlings- und Einwanderungspolitik verbindlich zu vereinbaren.