Themenkomplex Kürzung der Regionalisierungsmittel

06.08.2006
  1. Stellungnahme von Patrick Döring (MdB)
  2. Beschluss des kommunalpolitischen Beirates der Bundes-FDP auf Initiative der VLK-Landesvorsitzenden
  3. Stellungnahme des Deutschen Städtetages zur Kürzung der Regionalisierungsmittel

Zu1.)

Patrick Döring
ist Mitglied des Deutschen Bundestages, Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion für
Stadtentwicklung und europäische Verkehrspolitik

Kürzung der Regionalisierungsmittel


Hintergrund

Regionalisierungsmittel sind Gelder, die der Bund den Ländern zur Verfügung
stellt, damit diese daraus den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV)
sicherstellen.

Bestritten werden diese Zuweisungen aus dem Aufkommen der Mineralölsteuer.

Die Kürzung dieser Mittel wurde bereits im Koalitionsvertrag von Schwarz-Rot
vereinbart und wird durch das Haushaltsbegleitgesetz 2006 nun umgesetzt.

Umfang der Kürzungen

Bis 2010 sollen bundesweit insgesamt 3,3 Mrd. € eingespart werden,
allein in 2007 beträgt die Kürzung 8%.

In der Folge bedeutet dies, dass das Angebot an ÖPNV-Leistungen
eingeschränkt werden muss und notwendige Investitionen in die
ÖPNV-Infrastruktur auf Eis gelegt werden.

Kritik

Die Bundesregierung spart zu wenig und versucht, ihren Haushalt über die
Einnahmenseite zu verbessern. Trotzdem sind von den wenigen Einsparungen gerade
die Regionalisierungsmittel betroffen, die zu einem großen Teil auch für Investitionen verwandt werden. Die Zukunftsfähigkeit unseres Landes wird
durch die Reduzierung volkswirtschaftlich bedeutender Investitionsmaßnahmen
gefährdet.

Dabei sind Regionalisierungsmittel keine Subventionen sondern Teil der
Daseinsvorsorge.
Einen sich selbst tragenden ÖPNV gibt es nicht, schon gar
nicht im Bereich des Schienen-Personennahverkehrs (SPNV)

Obwohl bundesweit die Fahrgastzahlen ansteigen, werden als Folge der
Kürzungen weniger Verkehrsleistungen angeboten werden können.

Dabei sind die Bestellungen von Verkehrsleistungen durch die Länder für
2006 längst erfolgt. Diese wurden in gutem Glauben an die
Regionalisierungsmittel und angesichts der Fußballweltmeisterschaft nochmals
ausgeweitet.

Es droht eine Abwärtsspirale, angestoßen durch eine Verminderung des
Angebots an Verkehrsleistungen, die weniger Fahrgäste zur Folge haben. Weniger
Fahrgäste bedeuten wiederum Preiserhöhungen, die den ÖPNV für die Bürger
nochmals unattraktiver machen.

Die Bahn hat bereits angekündigt, die Preise für Schiene und Stationen zu
erhöhen, wenn durch Abbestellungen bedingte Einahmensverluste auftreten. Dabei
fand die letzte Preiserhöhung

für die Mitbewerber der Bahn erst zum 01.01.2005 statt. Damals wurden die
Gebühren für die Nutzung der Stationen durch die Wettbewerber der
Bahn verfünffacht.

Kritikwürdig ist dabei sowohl das Vorgehen der Union als auch der SPD:

  • die Union hat im Wahlkampf
    hinsichtlich der Regionalisierungsmittel zugesagt, die Frage der Höhe
    gemeinsam mit den Ländern
    zu entscheiden. Von dieser Gemeinsamkeit bei der
    Revision des Regionalisierungsgesetzes ist nun keine Rede mehr.
  • Ebenso hat die SPD eine Abstimmung
    mit den Ländern vor der Wahl versprochen. Zudem wurde im Wahlkampf suggeriert,
    eine Anpassung stünde ohnehin erst anlässlich der gesetzlichen Überprüfung in
    2007
    an und die Mittel blieben bis dahin unverändert.

Im Gegensatz zur Bundesregierung wollen die Grünen durch eine Reihe von
Anträgen im Bundestag die Regionalisierungsmittel in vollem Umfang und ohne
Ansehen des tatsächlichen Bedarfs erhalten. Dies ist mit einer
verantwortungsvollen Haushaltspolitik jedoch nicht zu vereinbaren und
missbraucht Steuergelder zur symbolischen Stärkung des Verkehrs auf der Schiene.
Die Frage, ob ÖPNV auch besser oder kostengünstiger angeboten werden kann spielt
in den Anträgen der Grünen dabei keine Rolle. Für die FDP sind alle
Verkehrsträger grundsätzlich gleichberechtigt.

Liberale Antworten

Maßvolle Kürzungen der Regionalisierungsmittel dürfen kein Tabu sein. Eine
Überprüfung der Regionalisierungsmittel, wie sie für 2007 ohnehin vorgesehen
war, sollte aber in enger Abstimmung mit den Bundesländern und deren
tatsächlichem Bedarf an Regionalisierungsmitteln erfolgen.

Grundsätzlich sind auch bei den Regionalisierungsmitteln Einsparungen zu
erreichen, wenn möglich durch Ausschreibungen und damit einhergehendem
Wettbewerb zwischen den Anbietern von Verkehrsleistungen. Für solch maßvolle
Einsparrungen ist allerdings keine Zeit mehr, wenn die Bundesregierung jetzt
plötzlich und unerwartet die Mittel für das laufende Haushaltsjahr kürzt.

Auch in Zukunft sollten die Mittel für Investitionen von den Mitteln für
die Zuschüsse zu Verkehrsleistungen voneinander getrennt und der
Investitionsanteil dabei nicht gekürzt werden.

Auch über Einsparungen auf der Ausgabenseite für die Verkehrsleistungen
muss weiterhin nachgedacht werden. Geprüft werden derzeit Übereinkommen mit der
DB-Regio als größtem SPNV-Anbieter, die einen Rabatt zum Ziel haben. Dies kann
möglich sein, wenn der langfristige Vertag mit dem Land ohne Ausschreibung bis zu 2012 weiter verlängert wird oder
die DB-Regio über den Einsatz der Züge zur Erfüllung ihres Angebots selbst
entscheiden kann.

Zu 2.)

Beschluss

Beschluss des Kommunalpolitischen Beirats vom 16. Mai 2006

Beschlusslage des Kommunalpolitischen Beirats zur »Sicherung der Nahverkehrsfinanzierung«

Ein wichtiges Ziel liberaler Verkehrspolitik ist die attraktive öffentliche
Verkehrsgestaltung in enger Zusammenarbeit zwischen Regionen, Städten und
Gemeinden.

Angesichts der geplanten Kürzungen der Regionalisierungsmittel für den
öffentlichen Nahverkehr hat der Kommunalpolitische Beirat in einem
entsprechenden Beschluss dazu Stellung bezogen.

  1. Der Kommunalpolitische Beirat
    spricht sich gegen einen einseitigen Konsolidierungskurs des Bundes bei der
    Bereitstellung der Regionalisierungsmittel aus und fordert,
    Konsolidierungsbeiträge des Bundeshaushaltes nur gleichgewichtig durchzuführen.
  2. Der Kommunalpolitische Beirat der
    VLK weist darauf hin, dass die Kommunen aufgrund ihrer überwiegend defizitären
    Haushaltslage nicht in der Lage sind, den Ausfall von mehr als 1 Mrd. Euro
    Regionalisierungsmittel zu kompensieren. Sollte der Bund seine angekündigten
    Kürzungen umsetzen, wäre daher Umfang, Qualität und Preisniveau des bisherigen
    ÖPNV ernsthaft bedroht.

Zu 3.)

Deutscher Städtetag, Pressemitteilung vom 25.April 2006

Hoffnung auf Änderung im Gesetzgebungsverfahren

Deutscher Städtetag kritisiert Kürzung der Regionalisierungsmittel für den Nahverkehr

Der Deutsche Städtetag hat
die von der Bundesregierung geplante deutliche Kürzung der
Regionalisierungsmittel für den Schienenpersonennahverkehr kritisiert. Die im
Haushaltsbegleitgesetz vorgesehenen Einschnitte von 2,3 Mrd. Euro bis 2009
stünden im Widerspruch zu den uneingeschränkt positiven Aussagen des
Koalitionsvertrages über die Bedeutung des Öffentlichen Personalverkehrs (ÖPNV)
und seiner Förderung auf hohem Niveau. Das erklärte einer der stellvertretenden
Präsidenten des Deutschen Städtetages, Oberbürgermeister Joachim Erwin aus
Düsseldorf, heute in Jena im Anschluss an eine Präsidiumssitzung des
Spitzenverbandes.

»Die Städte und ihre
Bürgerinnen und Bürger sind auf einen leistungsfähigen öffentlichen Nahverkehr
angewiesen. Dazu bedarf es einer gesicherten und hinreichenden Finanzierung. Die
vorgesehene Kürzung der Regionalisierungsmittel kann weder von den Verkehrsunternehmen durch mehr
Effizienz und härteres Sparen kompensiert noch von den Städten aufgefangen
werden. Wir hoffen deshalb auf Veränderungen im Gesetzgebungsverfahren«,
so Erwin.  Der Städtetag erkenne
durchaus an, dass Einsparungen auch im Verkehrsbereich notwendig seien. Ein neuer
Finanzrahmen müsse jedoch im Zuge der gesetzlich bereits für 2007 vorgesehenen
gutachterlichen Überprüfung des Volumens der Regionalisierungsmittel festgelegt
werden.

Der Deutsche Städtetag
appellierte außerdem an die Bundesregierung, die Zweckbindung der Mittel zur
Gemeindeverkehrsfinanzierung (GFVG) und das in diesem Gesetz enthaltene
Bundesprogramm

im bisherigen Umfang von
jährlich rund 333 Millionen Euro beizubehalten. Der stellvertretende Präsident
Erwin sagte hierzu: »Ohne staatliche Förderung können die Städte die großen Verkehrsinvestitionen
nicht verwirklichen, die für eine leistungsfähige städtische Infrastruktur
notwendig sind. Außerdem werden in den nächsten Jahren zunehmend kommunale
Brücken und Straßen saniert
werden müssen. Allein der Sanierungsbedarf für Straßen wird von Experten auf
jährlich vier Milliarden Euro geschätzt.«

Hintergrund des Appells der
Städte zum GVFG ist die Tatsache, dass die große Koalition vereinbart hat, im
Zuge der Förderalismusreform das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz
abzuschaffen. Den Ländern sollen zwar die bisher gezahlten Beträge in gleichem
Umfang wie bisher zur Verfügung für einen begrenzten Zeitraum aus dem Haushalt
des Bundes zur Verfügung gestellt werden. Doch über das für die Städte wichtige
Bundesprogramm für Großvorhaben der Verkehrsinfrastruktur trifft der
Koalitionsvertrag keine Festlegung.