Stellungnahme der VLK zur Reform des Kommunalen Finanzausgleichs (KFA)

05.06.2015

An den
Hessischen Landtag
Herrn Wolfgang Decker
Vorsitzender des
Haushaltsausschusses
Postfach 3240
65022 Wiesbaden

Wetzlar, 05.06.2015

Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Gesetz zur Neuregelung der Finanzbeziehungen zwischen Land und Kommunen – Drucksache 19/1853 –;
hier: Schriftliche Stellungnahme zur Anhörung des Haushaltsausschusses am 17.06.2015

Sehr geehrter Herr Landtagsabgeordneter Decker,

namens der Vereinigung liberaler Kommunalpolitiker in Hessen dürfen wir zu o. g. Gesetzentwurf die nachfolgende Stellungnahme abgeben.

Vorab sei darauf hingewiesen, dass aufgrund der zu erwartenden umfangreichen Stellungnahmen kommunaler Spitzenverbände wie auch betroffener kommunaler Gebietskörperschaften, sich die Stellungnahme der VLK auf einige wesentliche, kritische Anmerkungen und Handlungsempfehlungen beschränken wird.

Die Ermittlung des kommunalen Finanzbedarfes beinhaltet zahlreiche Mängel, die dazu führen, dass das Gesamtvolumen des Finanzbedarfes der hessischen kommunalen Gebietskörperschaften nur unvollständig und nicht ausreichend ermittelt wird.

Voraussetzung für einen ausgeglichenen Ergebnishaushalt nach Maßgabe der GemHVO-Doppik ist die sachgerechte Veranschlagung von Abschreibungen und Rückstellungen, insbesondere zu Pensionslasten. Diese Positionen sind bislang bei der Bedarfsermittlung nicht berücksichtigt worden. Die hilfsweise Betrachtung von Ist-Ausgaben produktspezifischer Investitionen in den Jahren 2011 und 2012 kann dies nicht angemessen ausgleichen, dies wäre erst bei einer längerfristigen Betrachtung von Investitionen aussagekräftig.

Die von der Landesregierung vorgenommene Bedarfsermittlung bezieht sich auf die kommunalen Ausgaben der Produkte in den Kernhaushalten der Kommunen. Eine ganze Reihe kommunaler Aufgaben ist jedoch in Eigenbetriebe und Eigengesellschaften ausgelagert worden, zum Teil werden die hier entstehenden Verluste – durch beispielsweise entsprechende Vorgaben des hessischen Eigenbetriebsgesetzes innerhalb von 5 Jahren – im Ergebnishaushalt ausgeglichen. Der Ausgleich erfolgt jedoch in der Regel im Einzelplan 16 der kommunalen Haushalte und ist damit den Bedarfen der einzelnen Produkte nicht zugeordnet. Da die Transaktionen im Einzelplan 16 aus nachvollziehbaren Gründen weitgehend bei der Ermittlung der Bedarfe ausgeklammert worden sind, sind nach unserer Einschätzung auch in der Regel die Ausgleichs-beträge, beispielsweise für Eigenbetriebe oder Kapitalzuführungen für ausgegliederte Aufgaben in Eigengesellschaften, bei der Bedarfsermittlung nicht berücksichtigt. Dieser Vorgang betrifft beispielsweise ausgegliederte Aufgaben bei Bädern, Stadthallen, Bürgerhäusern, aber auch Einrichtungen im Kultur- oder Sozialbereich, soweit diese in Eigenbetriebe oder Eigengesellschaften ausgegliedert worden sind. In der Regel ist diese Ausgliederung erfolgt, um die Wirtschaftlichkeit in den entsprechenden Einrichtungen zu erhöhen, gleichwohl fallen hier, unter Berücksichtigung der öffentlichen Aufgabenstellung, dauerhafte Zuschussbeträge an.

Der gewählte »Thüringer Korridor« führt dazu, dass im Durchschnitt 9%, auch von unbestritten pflichtigen Aufgaben, bei der Bedarfsermittlung ausgeklammert werden. Damit wird auch bei pflichtigen Aufgaben unterstellt, wie zum Beispiel der Jugendhilfe, dass hier unwirtschaftliches Handeln der Kommunen vorliegt. Die einwohnerbezogene Betrachtung im »Thüringer Korridor« führt allerdings dazu, dass Gebietskörperschaften mit relativ geringer Einwohnerdichte und relativ hoher Sozial- und Jugendhilfebelastung mit Teilen ihres Aufwandes aus dem »Korridor« fallen, obwohl dies nicht auf unwirtschaftliches Verhalten zurückzuführen ist. Da gemäß der vertikalen Bedarfsermittlung die hier in allen Produktbereichen »herauskorridierten« Bedarfe unberücksichtigt bleiben, ist dies insgesamt eine Schwächung der gebotenen kommunalen Bedarfssituation. Darüber hinaus ergeben sich durch die gemäß Ziffer 1.2 geschilderten, aus dem Kernhaushalt ausgelagerten Aufgaben, weitere Schwächen, da damit die im »Korridor« ermittelten Zahlen eine Schieflage erhalten (zum Beispiel ÖPNV).

Die Bedarfsermittlung fußt auf kommunalen Auszahlungen, im Wesentlichen des Jahres 2012. Die möglichen, derzeit noch diskutierten Hochrechnungen auf der Basis von Verbraucherpreisindexen oder anderen allgemeinen statistischen Grundlagen lassen völlig außer Acht, dass zwischenzeitlich in einigen, gerade für die Städte und Gemeinden außerordentlich kostenträchtigen Feldern, überproportionale Ausgabensteigerungen zu verzeichnen waren. Dies
gilt insbesondere für den Bereich der Kindertagesstätten, da die jährlichen Folgekosten durch den massiven Ausbau der U3-Betreuung erst ab den Jahren 2015 und 2016 vollständig zum Tragen kommen. Hier hat sich für viele Gemeinden seit dem Jahre 2012 ein massiv überproportionales Ausgabewachstum ergeben, das auf der Basis der geplanten Hochrechnungssystematik zumindest kurzfristig unberücksichtigt bleibt.

In der Begründung zum o. g. Gesetzentwurf ist auf Seite 35/36 unter der Überschrift »Aufgaben mit Vollkostendeckung« ausgeführt, dass bei der Bedarfsermittlung die Produktgruppe »Hilfen für Asylbewerber« vollständig außer Acht bleibt. Begründet wird dies damit, dass ab dem Jahre 2014 die den Kommunen entstehenden Nettokosten durch Zahlungen des Landes außerhalb des KFA vollständig gedeckt werden. Diese Aussage ist – wie nahezu alle betroffenen kommunalen Gebietskörperschaften bestätigen können – unzutreffend. Sowohl im Jahre 2014 wie auch im Jahre 2015 müssen Landkreise und Städte aufgrund der unzureichenden Höhe der Pauschalen, die das Land pro Asylbewerber den Gebietskörperschaften zur Verfügung stellt, zusätzliche Millionenbeträge aus den Ergebnishaushalten, teilweise auch aus den Finanzhaushalten, zur Verfügung stellen. Dieser Aufwand, der offensichtlich nicht nur kurzfristigen Charakter hat, kann jedoch bei der Bedarfsermittlung nicht außer Acht gelassen werden, zumal gerade diese Aufwendungen im Jahre 2015 recht massiv die Defizite im Ergebnishaushalt zahlreicher Landkreise und Städte beeinflussen.

Die deutliche Anhebung der Nivellierungshebesätze in Verbindung mit den Vorgaben des Finanzplanungserlasses des hessischen Innenministers führen zu einer Spirale der Steuersteigungen – insbesondere bei der Grundsteuer B -, die offensichtlich auch dazu dient, durch die starke Ausweitung der kommunalen Einnahmen die verbleibende Finanzierungslücke zum Bedarf, die durch den kommunalen Finanzausgleich zu schließen wäre, weiter zu reduzieren. Die Argumentation des Finanzministers, dass er sich hier an landesweiten Durchschnittshebesätzen orientiert, die eben in den letzten Jahren gestiegen seien, verkennt, dass gerade die Auswirkungen des Finanzplanungserlasses und die Vereinbarung mit den Schutzschirmkommunen in erheblichem Maße zur Entwicklung der Durchschnittshebesätze beigetragen hat. Auch wenn die Nivellierungshebesätze nach Auskunft des Finanzministers zunächst auf 5 Jahre festgeschrieben werden sollen, führen die Auswirkungen des Finanzplanungserlasses mittelfristig zu weiteren Steigerungsraten, die dann wiederum als Argument für die nächste Anhebung der Nivellierungshebesätze dienen kann. Faktisch werden damit die Bürgerinnen und Bürger – insbesondere über die Grundsteuer B – in weitaus stärkerem Maße als in der Vergangenheit dazu herangezogen, die Belastung des Landes im KFA abzusenken.

Mit der Solidaritätsumlage werden Finanzmittel von abundanten Städten und Gemeinden abgeschöpft und zur Abfederung des Finanzbedarfes anderer Gebietskörperschaften innerhalb des KFA verwandt. Auch hier entlastet sich das Land von seiner eigenen Verpflichtung zur bedarfsgerechten Ausstattung des KFA. Die Anreizschwelle zur Generierung eigener Steuereinnahmen der Kommunen wird damit deutliche reduziert. Darüber hinaus ist die Solidaritätsumlage verfassungsrechtlich problematisch (siehe Verfassungsklagen gegen vergleichbare Regelungen in Nordrhein-Westfalen) und wird mit hoher Wahrscheinlichkeit Anlass dafür sein, dass die Neuregelung des KFA wiederum vor dem hessischen Staatsgerichtshof angefochten wird und sich daraus Unsicherheiten für die Finanzausstattung und den Finanzbedarf der hessischen Kommunen ergeben werden.

Gezielte Förderprogramme des Bundes oder der EU zur Entlastung der kommunalen Finanzen werden voraussichtlich – soweit sie nicht nur Investitionen betreffen – nicht in die Kassen der Kommunen, sondern des Landes, wandern. Das Land weist darauf hin, dass durch die – aus seiner Sicht – angemessene Bedarfsermittlung zusätzliche Mittel von dritter Seite, die die Kommunen im Ergebnishaushalt entlasten, automatisch zu einer Senkung der innerhalb des KFA zu bereitstellende Ausgleichsmittel des Landes führen. Dabei wird verkannt, dass derartige Mittel, wie zum Beispiel zur Entlastung von Kosten der Eingliederungshilfe, auch und gerade dazu dienen sollen, die allseits beklagte Investitionsschwäche der Kommunen durch Entlastung der Ergebnishaushalte zu verbessern. Darüber hinaus würden die hessischen Kommunen durch dieses Verfahren massiv gegenüber nahezu allen anderen kommunalen Gebietskörperschaften in der Bundesrepublik benachteiligt, da im Endeffekt die Mittel nicht bei den Kommunen ankommen. Ferner ergibt sich die weitere Problematik, dass durch die Abschöpfung von Mitteln aus dem KFA insbesondere die finanziell schwächer gestellten Gebietskörperschaften, die in stärkerem Maße vom KFA-Ausgleich abhängig sind, stärker betroffen sind, als diejenigen, die nur in geringem Maße KFA-Mittel in Anspruch nehmen.

Die erhöhten Nivellierungshebesätze, wie auch die Durchleitung bestimmter, bisher im alten KFA gesondert ausgewiesener Zuweisungen, führen dazu, dass die Kreisumlagegrundlagen sich massiv erhöhen. Sofern die Landkreise ihre Hebesätze für die Kreisumlage nicht im gleichen Umfange senken, würde dies automatisch bei gleichbleibenden Hebesätzen zu einer erheblich höheren Belastung der kreisangehörigen Gebietskörperschaften durch die Kreisumlage führen. Die beabsichtigte einmalige Herabzonung der Kreisumlagen durch Landesgesetz ist insofern unzureichend, da in dem Folgejahr – sofern die Kreishaushalte noch nicht ausgeglichen sind – die Aufsichtsbehörden aufgrund der einschlägigen Vorschriften der HGO den betroffenen Landkreisen die schrittweise Erhöhung der Kreisumlagen-Hebesätze genehmigen müssten.

Nach wenigen Jahren führt dies zu folgendem Ergebnis: Die Haushalte der Landkreise sind weitestgehend ausgeglichen, während die kreisangehörigen Gemeinden in immer höherem Maße ihre Finanzmittel für die Kreisumlage bereitstellen müssen und damit defizitgefährdet sind.

Der gemäß §§ 63 ff. des Gesetzentwurfes vorgesehene Übergangsfond mindert nur vorübergehend Härten, die durch die Neuregelung des Finanzausgleiches bei zahlreichen Gebietskörperschaften entstehen, ab. Darüber hinaus ist die Finanzierung dieses Übergangsfonds noch nicht abschließend geklärt. Wenn hierzu Haushaltsreste aus bisher nicht verausgabten Mitteln des kommunalen Finanzausgleiches 2015 herangezogen werden sollen, so werden die Leistungen des Übergangsfonds faktisch durch bisher den Kommunen zustehende Mittel und nicht durch orginäre Landesmittel refinanziert. Dies ist kritisch zu sehen, da die hier angesprochenen Haushaltsreste durchaus auch zur Aufstockung pauschaler Zuweisungen, wie zum Beispiel der bisherigen Investitionspauschale, hätten herangezogen werden können.

Wolfram Dette
Vorsitzender