Michael Theurer MdEP zur neuen Konzessionsrichtlinie
Zum aktuellen Entwurf der Richtlinie zur Konzessionsvergabe nimmt der kommunalpolitische Sprecher der FDP im EU-Parlament, wie folgt Stellung:
Der Binnenmarktausschuss des Europäischen Parlaments hat am 24. Januar 2013 über den Richtlinienvorschlag zur Konzessionsvergabe abgestimmt.
Der Vertreter der FDP-Delegation im Binnenmarktausschuss des Europäischen Parlaments hat gegen eine Einbeziehung des Wassersektors in die Richtlinie gestimmt, konnte sich damit aber leider nicht durchsetzen. Die Rettungsdienste hingegen wurden vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen.
Was ist das Ziel der Richtlinie?
Die Richtlinie legt Regeln für die Vergabe von Konzessionen fest. Konzessionen werden von Kommunen zum Beispiel für die Wasserversorgung, aber auch Dienstleistungen wie die Verpflegung in Schulkantinen oder Müllentsorgung vergeben. Die Richtlinie zielt darauf ab, sicherzustellen, dass Unternehmen einen fairen Zugang zu Geschäftsmöglichkeiten in anderen Mitgliedstaaten haben und den öffentlichen Behörden ein optimales Kosten-Nutzen-Verhältnis zugesichert wird. Angesichts der hohen Haushaltsdefizite in den Mitgliedstaaten sind Transparenz und Wirksamkeit bei der Vergabe öffentlicher Gelder notwendig. Anders als in Deutschland werden Konzessionen in vielen EU-Ländern häufiger an private Unternehmen vergeben.
Was sind Kritikpunkte und wie ist der aktuelle Stand?
Das Europäische Parlament hat den Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission entschärft. Zwar wird der Wassersektor in den Geltungsbereich der Richtlinie einbezogen. Andererseits haben öffentliche Stellen immer noch die Freiheit, zu entscheiden, ob sie eine Konzession ausschreiben oder die betreffende Leistung selbst erbringen wollen. Kommunen sind nicht gezwungen, Konzessionen für Dienstleistungen wie die Wasserversorgung europaweit auszuschreiben, so lange die Unternehmen, die die Konzession ausführen, sich komplett in öffentlicher Hand befinden und zumindest 80% ihres Jahresumsatzes durch Leistungen in der Gemeinde erbringen. Das gilt für die meisten Kommunen in Deutschland. Darüber hinaus gilt die Richtlinie nicht für laufende, sondern nur für künftige oder zu erneuernde Konzessionen und ab einem Gesamtwert von 8 Millionen Euro (statt 5 Millionen Euro wie die Europäische Kommission es vorgeschlagen hatte).
Ausgeschrieben werden muss lediglich dann, wenn sich eine Kommune selbst entschließt, die Wasserversorgung mit Hilfe eines privatwirtschaftlichen Unternehmens zu erbringen. Für Stadtwerke gilt dies nur dann, wenn sie bereits einen privaten Partner haben oder wenn sie als »Mehrspartenunternehmen« (Strom, Gas und Wasser) das obengenannte 80-Prozent-Kriterium nicht erfüllen. Doch auch in solchen Fällen kann eine deutsche Kommune in Zukunft sicherstellen, dass keine Ausschreibungspflicht besteht, indem die Stadtwerke ihre Wassersparten ausgliedern.
Um den Stadtwerken die Möglichkeit zu geben, sich entsprechend umzustrukturieren, sieht der aktuelle Kompromisstext, der am 24.1.2013 vom Binnenmarktausschuss angenommen wurde, einen Übergangszeitraum bis 2020 vor. Dann können die Stadtwerke als »verbundene Unternehmen« wie bisher ohne öffentliche Ausschreibung Konzessionen im Wassersektor erhalten. Dieser Ansatz macht Sinn – denn so wird verhindert, dass Stadtwerke, die einen beträchtlichen Teil ihres Umsatzes auf dem freien Markt erwirtschaften, in einen unfairen Wettbewerb mit privaten Unternehmen treten.
Allerdings haben die Kommunen durch die kommunalen Spitzenverbände ernsthafte Sorge zum Ausdruck gebracht, dass die bisher beschlossenen Regeln nachteilige Auswirkungen auf die interkommunale Zusammenarbeit haben könnten.
Die Position der FDP
Als kommunalpolitischer Sprecher der FDP im Europäischen Parlament befürchte ich, dass der Ausnahmetatbestand der ‚echten Zusammenarbeit‘, unter den die interkommunale Zusammenarbeit in der Richtlinie fallen und damit nicht ausschreibungspflichtig sein soll, nicht ausreichend definiert ist und somit die interkommunale Zusammenarbeit mancher Kommunen zu Unrecht in Frage gestellt werden könnte. Die Folge könnte die Verpflichtung zu europaweiten Ausschreibungen sein, die eine hohe bürokratische Belastung für kleine Kommunen bedeuten würde.
Die FDP im Europäischen Parlament lehnt die Richtlinie in ihrer derzeitigen Form ab und kämpft innerhalb der liberalen Fraktion für eine Vereinbarkeit der Richtlinie mit dem Prinzip der kommunalen Selbstverwaltung und der interkommunalen Zusammenarbeit. Zu der Diskussion über die erzwungene Privatisierung der Wasserversorgung erklärt Jürgen Creutzmann, für die FDP-Delegation im Europäischen Parlament stellvertretendes Mitglied des Binnenmarktausschusses: »Es ist völliger Unfug, dass durch die Konzessionsrichtlinie die Privatisierung der Trinkwasserversorgung erleichtert werden soll. Wasser sollte auch in Zukunft in kommunaler Hand bleiben, weil dies in der Regel die beste Lösung für die Verbraucher ist.«
In der ALDE-Fraktion haben Jürgen Creutzmann und ich massiv für diesen kommunalfreundlichen Ansatz geworben. Allerdings trägt die Mehrheit der ALDE-Fraktion derzeit den jetzt ausgehandelten Kompromiss mit. Die FDP versucht nun, im Rahmen der anstehenden Verhandlungen insbesondere dem Aspekt der interkommunalen Zusammenarbeit Rechnung zu tragen. Die FDP behält sich vor, davon ihr Abstimmungsverhalten im Plenum abhängig machen.
Wie wird es weitergehen?
Der Richtlinienvorschlag ist noch nicht vom Plenum des Europäischen Parlaments verabschiedet worden. Vermutlich wird es zu Verhandlungen zwischen dem Europäischen Parlament und dem Rat (Vertretung der Regierungen) kommen, bei denen versucht wird, einen Kompromiss auszuhandeln, bevor das Dossier ins Plenum des Europäischen Parlaments geht.