Jubiläumsfeier 30 Jahre VLK in Baden-Baden
Bei der Jubiläumsfeier 30 Jahre VLK am Samstag, den 6. Oktober 2012 in Baden-Baden sagte der VLK-Ehrenvorsitzende und Erste Kreisbeigeordnete a. D. Wolfgang Knoll:
Die VLK: Rückgrat liberaler Kommunalpolitik
Wir blicken zurück auf 30 Jahre erfolgreiche Arbeit der Vereinigung liberaler Kommunalpolitiker (VLK), die am 6. Juli 1982 im Thomas-Dehler-Haus in Bonn gegründet wurde. Erinnerungen kommen auf, und im Zeitraffertempo versuche ich, den dornenreichen und schwierigen Weg bis zu unserer Gründung und das Danach zu skizzieren.
1945, nach dem Ende der NS-Zeit und dem totalen Zusammenbruch, begann der demokratische Wiederaufbau, und die politischen Parteien nahmen ihre Arbeit auf. Leider erst 37 Jahre später gründeten wir endlich die Bundesvereinigung liberaler Kommunalpolitiker (VLK), obwohl Liberale seit dem Wiederaufbau in der Kommunalpolitik aktiv tätig waren und Verantwortung getragen haben. Die kommunalpolitischen Vereinigungen der CDU – KPV – und der SPD – SGK – konnten damals bereits auf eine langjährige eigenständige Arbeit zurückblicken.
In der FDP wurde jahrelang kontrovers über eine eigene kommunalpolitische Vereinigung gestritten. Rückblickend ist festzustellen: Der Stellenwert und die Bedeutung der Kommunalpolitik für die Liberalen, ihre Auswirkungen und Vielfältigkeiten wurden offensichtlich nicht erkannt, leider!
Am 6. Juli 1982 erfolgte dann die Geburt, die bestehenden Landesvereinigungen waren die Gründungsmitglieder.Im § 2 unserer Satzung sind der Zweck der Vereinigung und die Wege zur Verwirklichung der Ziele umrissen.
»(1) Die Vereinigung hat die Aufgabe, den Gedanken- und Erfahrungsaustausch zwischen kommunalpolitisch interessierten Liberalen zu intensivieren, kommunalpolitisches Wissen im Rahmen der Erwachsenenbildung zu verbreiten und hierdurch liberale Grundsätze in der Kommunalpolitik zu verwirklichen.«
Am 4. Dezember 1982 tagte auf der Godesburg unsere 1. Bundesdelegiertenversammlung. Mit Selbstbewusstsein und Zufriedenheit können wir auf die verabschiedeten »Grundsätze liberaler Kommunalpolitik« Rückschau halten.Bis in die Gegenwart haben sie ihre Bedeutung und Gültigkeit behalten und bleiben brennende Aktualität. Später haben sie bei dem 48. Bundesparteitag der FDP Einzug in die »Wiesbadener Grundsätze für die liberale Bürgergesellschaft« gefunden. Wir, die VLK und die FDP, müssen uns mehr und immer wieder auf unsere Orientierungsgrundlagen besinnen!
Zwei Grundsätze aus unserer Proklamation lauten:
Der Staat muss sich auf seine eigentlichen Aufgaben besinnen. Das Übermaß von gesetzlichen Regelungen und bürokratischer Normierung muss eingedämmt werden. Weniger und einfachere gesetzliche Vorschriften bringen mehr Freiheit, fördern die Eigeninitiative und wirken der Staatsverdrossenheit entgegen.
Im Interesse einer Stärkung der Demokratie ist die kommunale Selbstverwaltung wesentlich auszubauen. Der eigenverantwortliche Handlungsspielraum ist zu vergrößern. Die Bundes- und Landesgesetze müssen stärker auf die gemeindliche Selbstverwaltung Rücksicht nehmen, insbesondere auch in ihren finanziellen Auswirkungen. Eine Überprüfung der Aufgaben und Lastenverteilung zwischen Bund, Ländern, Kreisen und Gemeinden ist dringend notwendig.
Die liberalen Kommunalpolitiker haben seit Jahrzehnten einen wesentlichen Beitrag zur Stabilisierung der FDP und ihrer Glaubwürdigkeit beigetragen.
In diesem Zusammenhang erinnere ich an verdiente liberale Kommunalpolitiker in Deutschland:
- Karl Theodor Bleek, Oberbürgermeister in Marburg
- Willy Stahl, Bürgermeister in Titisee
- Edgar Engelhard, Bürgermeister in Hamburg
- Kurt Scherzer, Oberbürgermeister in Fürth
- Rudolf Widmann, Landrat in Starnberg
- Marie Elisabeth Lüders, Bürgermeisterin in Berlin
- Klaus Maria Heinemann, Stadtverbandspräsident Saarbrücken
- Friedrich-Wilhelm Kiel, Oberbürgermeister in Fellbach
- Dr. Helmuth Bentz, Oberkreisdirektor im Erftkreis
- Peter Röhlinger, Oberbürgermeister in Jena
- Robert Hofmann, Bürgermeister in Maxdorf
- Georg Michael Primus, Oberstadtdirektor in Goslar
- Wolfram Dette, Oberbürgermeister in Wetzlar
- Werner Becker-Bloningen, Bürgermeister in Wiehl
- Joachim Knappe, Bürgermeister in Rochlitz
- Dr. Jürgen Criegee, Bürgermeister in Walldorf
- Manfred Richter, Oberbürgermeister in Bremerhaven
u. a. m.
Auf unseren Delegiertenversammlungen haben wir grundsätzliche Beschlussfassungen verabschiedet, die für die praktische Arbeit der liberalen Kommunalpolitiker, der Landtagsfraktionen, der Bundestagsfraktion und der FDP anregend waren.
Stichworte der Themen:
Bevölkerungsentwicklung 1985, kommunale Kulturpolitik 1988, Privatisierung kommunaler Dienstleistungen 1989, Europa – Maastricht – kommunale Selbstverwaltung 1992, mehr Leistung für die Bürger 1993, Gemeindefinanzreform 2000, Zukunft findet Stadt – Stadt finde Zukunft 2006, Kommunale Integrationspolitik 2008.
Im September 1990 in Regensburg begrüßten wir erstmalig frei gewählte Kommunalpolitiker aus Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Ein reger Meinungsaustausch mit Rat und Tat entwickelte sich, und eine Vielzahl von Kontakten aus den alten und neuen Bundesländern bestehen dauerhaft. Seit der Vereinigung des geteilten Deutschlands haben liberale Mandatsträger und Bürgermeister eine solide Basis für die FDP in den neuen Bundesländern geschaffen, sie bilden das Rückgrat der Landesverbände.
30 Jahre kommunalpolitische Arbeit der VLK – eine steinige Wegstrecke, die wir mit einer positiven Bilanz zurückgelegt haben. Mit großer Beharrlichkeit, Einsatzbereitschaft und ungebrochenem Idealismus konnten wir den Stellenwert der Kommunalpolitik in der FDP erheblich anheben, dafür Anerkennung und Aufmerksamkeit erfahren. Das Verhältnis zur FDP bleibt dennoch stets verbesserungswürdig!
Nicht immer waren Mandatsträger in den Ländern und im Bund, die sich auf ihre kommunalen Mandate und Erfahrungen bezogen, unterstützend.
Die Kommunalpolitik hat Anspruch, in der FDP mit der Landes- und Bundespolitik gleichrangig behandelt und gestellt zu werden. Hier sind regional und personell unterschiedliche Defizite zu beklagen und abzubauen. Mit einer glaubwürdigen Politik, getragen von ehren- und hauptamtlichen Engagierten, haben wir eine solide Plattform geschaffen, um bisher bei Landtags- und Bundestagwahlen örtlich überdurchschnittliche Erfolge für die FDP zu erreichen.
Marion Gräfin Dönhoff, ehemalige Mitherausgeberin der Wochenzeitung »Die Zeit« beklagte bereits 1990 in einem Aufsatz den wachsenden Egoismus und schrieb: »Das Engagement für das Ganze, also für Staat und Gesellschaft, hat einem erschreckenden Egoismus Platz gemacht. Karriere und Geld nehmen jetzt die erste Stelle ein. […] Ein Gefühl für gesellschaftliche Verantwortung wird immer seltener.«
Dies ist eine ständige Herausforderung für alle demokratischen Kräfte, insbesondere für die Liberalen! Wir müssen deshalb geduldig wieder Glaubwürdigkeit und Vertrauen zurückgewinnen. Wir müssen radikal Aufgaben des Staates in die Gesellschaft zurückverlagern. Wir müssen konsequent entbürokratisieren!
Das Prinzip der Eigenverantwortung erfordert auch Opferbereitschaft des einzelnen. Bürokratie und Regelungsdichte bedrohen unsere Freiheit immer stärker.
Wir sind aufgefordert, der Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit in der kommunalen Selbstverwaltung energisch entgegenzuwirken, sie darf sich nicht ständig vergrößern! Gesetze und Verordnungen lassen die Freiräume kommunaler Selbstverwaltung zusammenschmelzen, die vielen Regelungen der EU stoßen zusätzlich bis in den Kern des Selbstverwaltungsrechts. Wo, so ist zu fragen, bleibt das Prinzip der Subsidiarität, das in den Verträgen von Maastricht aufgenommen wurde?
Unseren Weg müssen wir trotz aller Probleme und Widrigkeiten beharrlich weitergehen. Dabei wird der VLK nicht zuletzt ihre große innere Geschlossenheit helfen, die ein Kommentator so wertete: »Diese Geschlossenheit, gepaart mit Sachverstand und Realitätssinn beherrschter Positionsbestimmung, hat der Bundesvereinigung liberaler Kommunalpolitiker innerhalb der Partei nicht nur von Jahr zu Jahr zu einem Mehr an Gewicht und Einfluss verholfen, sondern sie ist dabei, zum Paradigma für das zu werden, was der gesamten Partei not tut und Perspektive gibt.«
Das ist die kommunale Alltagswirklichkeit, vor der wir die Augen nicht verschließen dürfen, mit der wir aber leben müssen.
Deshalb müssen wir in Fragen der politischen Glaubwürdigkeit mehr Sensibilität und Wahrhaftigkeit zeigen. Aufgrund der gesellschaftlichen Entwicklung, zunehmendem Unbehagen und Missmut, eigensüchtigem Verhalten, Gruppeninteressen und Verteilungskämpfen und den damit verbundenen Vertrauensverlusten, ist es keine einfache Aufgabe, liberale Positionen zu vertreten. Das Ringen um politische Entscheidungen und Lösungen wird härter werden. Widerstehen wir dem Freund-Feind-Denken! Liberale müssen gerade bei unpopulären Maßnahmen klare Position beziehen. Wir sollten mit unserer Sachkompetenz den politischen Stil in den Auseinandersetzungen prägen.
»Es ist heilsam, sich von Zeit zu Zeit auf die Grundlagen zu besinnen, auf denen man steht, zu seinen geistigen Quellen hernieder zu steigen, die Voraussetzungen seines Handelns von den Wünschen her, also radikal im eigentlichen Sinne erneut zu durchdenken.« (Thomas Dehler)
Anlage zur Rede von Wolfgang Knoll am 6. Oktober 2012
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Reinhard Maier, der große streitbare Liberale, hat im November 1957 in einer Rede zum Thema »FDP in der Opposition« einige bemerkenswerte Wahrheiten ausgesprochen, die ihre Gültigkeit auch heute nach 55 Jahren behalten haben. Er sagte:
»Die Dritte Kraft werden wir bestimmt dann nicht, wenn wir uns nicht von dem liberalen Erbübel der Uneinigkeit befreien.
Die Geschlossenheit der Partei hat in diesem kritischen Abschnitt als das oberste Ziel zu gelten. Das muss von jedem einzelnen erkannt, anerkannt und peinlich eingehalten werden. Der Jammer ist, dass viele Liberale nicht nur Liberale, sondern gleichzeitig Individualisten, manchmal verbohrte Individualisten, vielfach sehr selbstgefällige Individualisten sind.
Den falschen Ausgaben der liberalen Überindividualisten muss der Demokrat in uns gegenübergestellt werden. Das ist der rauhere Geselle. Er sagt: »Nicht auf den einzelnen kommt es an. Auf die Gemeinschaft kommt es an.« Der Demokrat in der FDP hat die Aufgabe, den überzüchteten, hochegoistischen Typ vom Postament herunterzuholen. Wohin? In die normal gebliebene Gesellschaft seiner Parteifreunde, seiner Fraktionskollegen und Bundesvorstandsmitglieder.
Wir sind für die Freiheit überall, auch in der FDP. Niemandem soll der Mund verboten werden. Jeder soll zu Wort kommen. Aber innen, unter uns selbst. Im Fraktionszimmer mag es knallen und krachen. Ist aber die Entscheidung gefallen, so mag der eine oder andere innerlich weiterknurren. Nach außen gilt sie auch für ihn. Jedes andere Verhalten verbietet sich für jeden, der uns zugehört.«
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