Einführungsrede des VLK-Kreisvorsitzenden Klaus Roth auf der VLK-Tagung »Kommunen nach der Energiewende« am 24. März 2012 in Groß-Umstadt

25.03.2012

VLK-Kreisvorsitzender Klaus Roth (Groß-Zimmern) machte auf der VLK-Tagung »Kommunen nach der Energiewende« am 24. März 2012 in Groß-Umstadt folgende Ausführungen:

Die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden § 121 HGO
In § 121 HGO gestattet der Gesetzgeber den Gemeinden, sich wirtschaftlich zu betätigen.

Er versucht, den Begriff »wirtschaftliche Betätigung« zu umreißen, indem er als Einschränkung zu wertende Bedingungen nennt:
So darf sich eine Gemeinde nur dann wirtschaftlich betätigen, wenn

  • ein öffentlicher Zweck erfüllt wird
  • die Betätigung nach Art und Umfang in angemessenem Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Gemeinde und zum voraussichtlichen Bedarf steht
  • der Zweck nicht ebenso gut und wirtschaftlich durch einen privaten Dritten erfüllt wird oder erfüllt werden kann

Nun, wer von Ihnen als Mandatsträger an der Diskussion notleidender Kommunalhaushalte teilnimmt, weiß, dass die Leistungsfähigkeit unserer hessischen Städte und Gemeinde seit langem minimiert ist und kein Spielraum für eine kapitalintensive wirtschaftliche Betätigung bleibt.

Umso mehr erstaunt es, dass der Gesetzgeber in Kenntnis der anhaltend schwachen Finanzkraft der Städte und Gemeinden einer Intension des Hessischen Energiegipfels folgt. Bei der im Januar des Jahres in Kraft getretenen Novellierung der HGO klammert er die Aufgabenüberlassung an leistungsfähige Dritte aus und gestattet den Gemeinden

ausschließlich auf dem Gebiet der Erzeugung, Speicherung und Einspeisung erneuerbarer Energien, sowie der Verteilung hierbei vorkommender thermischer Energie

die wirtschaftliche Betätigung. Natürlich wiederum unter Einschränkungen:

  • die Betätigung für erneuerbare Energien darf nur innerhalb des Gemeindegebietes
  • im regionalen Umfeld in Formen interkommunaler Zusammenarbeit
  • und unter Beteiligung Dritter erfolgen.
  • Die Beteiligung der Gemeinde soll 50 % nicht übersteigen.
  • Die wirtschaftliche Betätigung ist in besonderer Weise dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit zu unterwerfen.

Wie könnte nun unter Beachtung dieses Regelwerkes eine wirtschaftliche Betätigung auf dem Gebiet der erneuerbaren Energie gestaltet werden?
Als erstes bleibt festzuhalten, dass viele Gemeinde im Zuge der Daseinsvorsorge langfristig wirkende vertragliche Vereinbarungen mit Energielieferanten getroffen haben.

Im Rahmen dieser Kooperationen erwerben die Gemeinden die Energien für ihren Versorgungsbereich und erhalten von dem jeweiligen Lieferanten Konzessionszahlungen für die Errichtungen technischer Einrichtungen des Lieferanten auf dem Gemeindegebiet.

Nun, es erscheint geradezu widersinnig, würde eine Gemeinde die energetische Autarkie anstreben und durch die Errichtung eigener Produktions- und Lagerstätten in eine Wettbewerbssituation zu den bisher bewährten Lieferverhältnissen treten.

Hierbei würde die Leistungsfähigkeit der Gemeinde im Hinblick auf die anfallenden Betriebs- und Folgekosten schnell überfordert werden. Eine technisch gesicherte, dauerhaft wirtschaftliche Versorgung der auf dem Gemeindegebiet angesiedelten Abnehmer wäre nicht machhaltig gewährleistet.

Wenn als überhaupt eine spezifische wirtschaftliche Betätigung angebracht erscheint, dann durch Intensivierung und Erweiterung der Zusammenarbeit mit den potenziellen Lieferanten.

Hier bieten sich zwei Möglichkeiten an:

  • Die Gemeinde errichtet eigenständig oder im Verbund mit Nachbargemeinden Produktions- und ggf. Speicheranlagen und speist die gewonnenen Energien in das Netz des Vertragspartners ein.
  • Die Gemeinde beteiligt sich an einer Energielieferungsgesellschaft
    • durch eine Kapitaleinlage
    • durch eine Sacheinlage (z.B. durch Verfügungstellung eines Teils ihrer Gemarkung zur Errichtung von Energieanlagen. Diese Form der Beteiligung kann auch durch einen Pachtvertrag ersetzt werden.

Gleich wie eine Entscheidung der Gemeinde zur wirtschaftlichen Betätigung auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien ausfällt, so erfordert

  • die gebotene Beachtung des öffentlichen Interesses
  • die Absicherung der Leistungsfähigkeit
  • und eine nachhaltige Wirtschaftlichkeit der wirtschaftlichen Betätigung

Die Begrenzung des damit verbundenen Risikos bedeutet eine feste Begrenzung der Haftung der Gemeinde für einen evtl. Misserfolg ihrer energetischen Aktivität.

Bei anderen kommunalen Betätigungsfeldern auf dem Gebiet der Daseinsvorsorge empfiehlt der Gesetzgeber die Rechtsform des Eigen- bzw. des Regiebetriebes. Das sind Wirtschaftsbetriebe ohne eigene Rechtspersönlichkeit. Für die geschäftlichen Belange dieser Betriebe haftet die Gemeinde uneingeschränkt.

Für die gerade auf dem Gebiet der kommunalen Energiewirtschaft so bedeutsame Haftungsbeschränkung hat der Gesetzgeber im neu eingefügten § 126 a HGO die Rechtsform der rechtlich selbständigen Anstalt des öffentlichen Rechts und die Umwandlung der Eigen- und Regiebetriebe in eine solche Anstalt zugelassen.
Als weitere Haftungsrisiken einschränkende Rechtsform bieten sich die GmbH und – im Falle der kommunalen Zusammenarbeit – der Zweckverband an, in dessen Satzung die Haftungsbegrenzung und eine evtl. Nachschusspflicht geregelt werden kann.

Mit der Betätigung auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien betreten viele Kommunen Neuland.

Achten Sie deshalb bei einer Diskussion vorbereitender Maßnahmen in Ihren Gremien auf die strikte Einhaltung der vom Gesetzgeber für die wirtschaftliche Betätigung festgelegten Restriktionen.

Die Aufrechterhaltung der Leistungsfähigkeit Ihrer Gemeinde und die nachhaltige Wirtschaftlichkeit der geplanten Energieprojekte müssen Ihre Investitionsentscheidung tragen.