Brief des Landesvorsitzenden Oberbürgermeister Wolfram Dette zur beabsichtigten Novellierung der HGO und der HKO

28.06.2004

Herrn
Fraktionsvorsitzenden Jörg-Uwe Hahn
FDP-Fraktion im Hessischen Landtag
Schlossplatz
65183 Wiesbaden

Sehr geehrter Herr Fraktionsvorsitzender,
lieber Jörg-Uwe,

der VLK-Vorstand und -Beirat hat sich in seiner Sitzung am 24. Juni 2004
eingehend mit der von der Hessischen Landesregierung vorgelegten Novelle der HGO
und HKO beschäftigt.

Als Ergebnis darf ich folgende Positionierung mit der Bitte übermitteln, diese in den anstehenden Beratungen des Hessischen Landtages mit einzubringen:

  1. Die in § 36 a HGO
    vorgesehene Beschränkung der Fraktion auf mindestens zwei Gemeindevertreter wird seitens der VLK abgelehnt. Die FDP wäre von dieser Regelung in zahlreichen kleineren Gemeinden unmittelbar betroffen.
    In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass bei Gemeinden unter 10.000 Einwohnern ein gewählter Gemeindevertreter deutlich über 5 % der
    abge- gebenen Stimmen erhalten hat und deshalb nicht erkennbar ist, dass eine
    Frak- tionsbildung nicht ermöglicht werden soll.
    Seitens der VLK wird vorgeschlagen, in der HGO zwischen Gemeinden unter 50.000 Einwohnern und Gebietskörperschaften über 50.000 Einwohnern zu
    diffe- renzieren. Bei Gebietskörperschaften über 50.000 Einwohnern wäre eine – wie von der Landesregierung beabsichtigte – Regelung aus Sicht der VLK
    nachvoll- ziehbar.
  2. Seitens der VLK wird die vom Hessischen Städtetag eingebrachte Möglichkeit eines sogenannten »freiwilligen Rücktritts des Direktgewählten«
    unterstützt.
    Danach soll ein Bürgermeister als abgewählt gelten, falls er binnen einer
    Woche nach dem Beschluss der Gemeindevertretung schriftlich auf die Entscheidung
    der Bürger über seine Abwahl verzichtet.
    Mit diesem Verfahrensweg können Direktgewählte eine zusätzliche Entschei- dungsoption erhalten, ob sie sich einem Abwahlverfahren stellen oder
    freiwillig ihr Amt verfügbar machen.
  3. Aus Sicht der VLK führen Gerichtsentscheidungen der Verwaltungsgerichte aus jüngster Zeit dazu, dass die Notwendigkeit besteht, die Kriterien zur
    Rechts- gültigkeit von Direktwahlen genauer zu überprüfen und seitens des
    Gesetzgebers zu konkretisieren.
    Zahlreiche Beispiele belegen, dass die Verwaltungsgerichte immer schärfere Maßstäbe an das Verhalten Direktgewählter anlegen und damit die
    Beständigkeit von Wahlentscheidungen immer mehr in Frage gestellt wird.
    Seitens der VLK wird empfohlen, dass vergleichbare Kriterien, wie gegenüber
    Wahlentscheidungen auf Landes- und Bundesebene für eine Wahlanfechtung zugrunde gelegt werden, auch für Kommunalwahlen herangezogen werden sollten. Es kann nicht sein, dass wegen verkürzter Entfernung eines
    Wahlschildes vor dem Wahllokal um 70 cm (Fall Butzbach) oder wegen einer zu kritischen Pressemeldung (Fall Gießen) Wahlvorgänge mit hohem Aufwand wiederholt werden müssen.
  4. Die von der Landesregierung vorgeschlagene Wahlmöglichkeit zwischen er- weiterter Kameralistik und Doppik zur Gestaltung des zukünftigen
    Finanzwesens der Kommunen wird von der VLK begrüßt.
  5. Die von der Landesregierung vorgeschlagene erweiterte Subsidiaritätsklausel wird von der VLK grundsätzlich begrüßt. Sie legt allerdings großen Wert darauf, dass vorhandene Eigenbetriebe und Eigengesellschaften der Kommunen durch klare Stichtagsregelungen gesichert sind und damit vorhandene und bewährte Strukturen nicht in Frage gestellt werden.
    Ferner muss für Aufgaben der Daseinsvorsorge auch weiterhin für die Kom- munen die Möglichkeit gegeben sein, ihre Aufgaben statt als Regiebetrieb in Form eines Eigenbetriebes oder einer Eigengesellschaft durchzuführen.
    In diesem Zusammenhang wird allerdings die Neufassung von § 121 Ziffer 8 als nicht praktikabel angesehen.
  6. Die vorgesehene Neufassung des § 123 a wird seitens der VLK unterstützt.
  7. Aus Sicht der VLK ist nicht recht erkennbar, weshalb durch Änderung von § 121 HGO in Verbindung mit dem ÜPKKG nunmehr eine Doppelprüfung von kommunalen Eigengesellschaften eingeführt werden soll.
    Nachvollziehbar ist die Betätigungsprüfung durch den Landesrechnungshof gegenüber den Magistraten und Gemeindevorständen in den Organen der Eigengesellschaften. Es macht aus Sicht der VLK allerdings keinen Sinn,
    wenn Gesellschaften, die der Prüfungspflicht durch Wirtschaftsprüfer
    unterliegen, erneut durch ein vom Landesrechnungshof beauftragtes Wirtschaftsprüfungsunternehmen mit hohem Kostenaufwand einer zweiten Prüfung unterzogen werden.
    Seitens der VLK wird daher die Auffassung vertreten, dass die mit dem
    vorgelegten Gesetzentwurf vorgesehene Erweiterung der Prüfungsbefugnis für den Landesrechnungshof Doppelaufwand auslöst und darüber hinaus schrittweise die Aufgaben der örtlichen Rechnungsprüfungsämter in Frage gestellt werden.

Mit freundlichen Grüßen
Wolfram Dette
Vorsitzender