Antrag der FDP-Bundestagsfraktion zur Verankerung des Konnexitätsprinzips im Grundgesetz
Die FDP-Bundestagsfraktion hat kürzlich die beiden nachfolgenden Anträge zum Konnexitätsprinzip in den Bundestag eingebracht:
Konnexitätsgesetz in der Verfassung verankern
Deutscher Bundestag
16. WahlperiodeDrucksache 16/1677
31. 05. 2006Antrag
Der Abgeordneten Gisela
Piltz, …, Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP
Konnexitätsprinzip in der Verfassung verankern
Der Deutsche Bundestag möge
beschließen:I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Die Ausgaben der Kommunen
für Sozialleistungen steigen seit vielen Jahren stark an. Seit 1992 nehmen sie
trotz der Entlastung durch die Einführung der Pflegeversicherung um mehr als 45
Prozent zu. Hier spiegelt sich wider, dass die Sozialhilfeentlastungen durch das
Hinzukommen neuer Aufgaben wie die Grundsicherung im Alter oder bei der
Erwerbslosigkeit überkompensiert wurden. Parallel dazu kam es zu extremen
Steigerungen bei bereits bestehenden Ausgabenblöcken, insbesondere bei der
Eingliederungshilfe für behinderte Menschen und bei der Jugendhilfe. Auch die
Ausgaben für die Hilfe zur Pflege sind mittlerweile wieder stark angestiegen.
Eine Trendwende dieser Entwicklung ist nicht zu erwarten.Die Ursache liegt in dem
ständig zunehmenden Pflichtaufgabenbestand, dessen extremer Anstieg durch die
leicht wachsenden Steuereinnahmen der Kommunen nicht ausgeglichen werden kann.
Diese Entwicklung hat dazu beigetragen, dass die Investitionen der Städte,
Gemeinden und Landkreise heute um über 40 Prozent niedriger sind. Freiwillige
Selbstveraltungsausgaben werden von den Kommunen kaum noch wahrgenommen. Damit
ist die kommunale Selbstverwaltung, die grundgesetzlich garantiert ist, stark
gefährdet. Vor allem die Ausgaben für den sozialen Bereich sind eine
gesamtstaatliche Aufgabe, die nicht nur den Kommunen aufgebürdet werden darf.Es wird deutlich, dass die
rechtliche Absicherung der Kommunen gegen die kostenaufwändige Aufgabenzuweisung
nicht korrekt funktioniert. Im Grundgesetz ist bisher lediglich das relative Konnexitätsprinzip in
Artikel 104a verankert, das aber für die Kommunen keine ausreichende
Kompensationsregelung darstellt.In den meisten Bundesländern
ist ein strikteres Konnexitätsprinzip in den Landesverfassungen verankert. Darunter ist der
Grundsatz zu verstehen, dass Aufgabenwahrnehmungen und Aufgabenverantwortung bei
derselben staatlichen Ebene liegen sollten. Einfach ausgedrückt: Wer die Musik
bestellt, bezahlt sie auch. Damit sind die Länder gehalten, den Städten und
Gemeinden für die jeweiligen Aufgaben finanziellen Ausgleich zu leisten.
Allerdings schützen die landesverfassungs-rechtlichen Garantien nicht gegen
bundesseitige Aufgabenübertragung. Im Grundgesetz gibt es nach wie vor kein
ausdrücklich die Kommunen einbeziehendes Konnexitätsprinzip. Und wo der Bund es
bei einer Ausführung durch die Länder belässt und ihnen dafür eine finanzielle
Kompensation zukommen lässt, bleibt bei der landesseitigen Weitergabe der
Ausführung an die Kommunen regelmäßig Bundesgeld aus unterschiedlichen Gründen
bei den Ländern hängen.Leider sind bisher alle
Versuche, hier eine Änderung auch auf Bundesebene herbeizuführen gescheitert.
Auch im Rahmen der Förderalismusreform heben die Koalitionäre im Deutschen
Bundestag vereinbart, keine Verankerung des Konnexitätsprinzips im Grundgesetz
vorzunehmen. Es soll lediglich ein Aufgabenübertragungsverbot in Art. 84 Abs. 1
und Art. 85 Abs. 1 Grundgesetz eingefügt werden. Das führt allerdings nicht zur
gewünschten Entlastung der Städte, Gemeinden und Landkreise. Die bisherigen
Gesetze des Bundes sind von der geplanten Regelung ausgenommen. Auch ohne eine
direkte Aufgabenzuweisung an die Kommunen durch den Bund wird der
Bundesgesetzgeber viele Gesetzesvorhaben beschließen, die im Ergebnis auch
Kostenfolgen auf der kommunalen Ebene auslösen. Darüber hinaus sind in der
Verwaltungspraxis durchaus Konstellationen denkbar, in denen es sinnvoll und für
die Kommunen von Vorteil ist, die kommunalen Aufgabenträgerschaft unmittelbar in
einem Bundesgesetz vorzusehen.Nach einer Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 86, 148 (213)) ist die Finanzverfassung des
Grundgesetzes darauf angelegt, Bund und Länder finanziell in die Lage zu
versetzen, die ihnen verfassungsrechtlich zukommenden Aufgaben wahrzunehmen.
Dieses muss auch in Bezug auf die Kommunen gelten. Zum Zwecke einer klaren
Zuordnung von Aufgabe, Kompetenz und Verantwortung ist deshalb ein
durchgreifendes Konnexitätsprinzip auch im Grundgesetz zu verankern.II. Der Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
einen Gesetzentwurf vorzulegen, mit dem das vorgeschlagene Aufgabenübertragungsverbot durch eine
Konnexitätsregelung ersetzt
wird, die sicherstellt, dass der Gesetz- und Verordnungsgeber Bestimmungen über
die Deckung der Kosten zu treffen hat, wenn er Gemeinden oder Gemeinde-verbände
durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes zur Erfüllung bestimmter Aufgaben
verpflichtet.Berlin, den 31. Mai 2006
Gisela Piltz
Ernst Burgbacher
Irene Lenke
Patrick Döring
Sibylle Laurischk
Jan Mücke
Deutscher Bundestag
16. Wahlperiode
Drucksache 16/2046
28. 06. 2006
Änderungsantrag
der Abgeordneten Gisela Piltz, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, …, Dr. Guido Westerwelle und der
Fraktion der FDP
zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen von CDU/CSU und SPD
– Drucksachen 16/813 –
Entwurf eines Gesetzes
zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 22, 23, 33, 52, 72, 73, 74, 74a, 75, 84,
85, 87c, 91a, 91b, 93, 98, 104a, 104b, 105, 107, 109, 125a, 125b, 125c, 143c)
Der Bundestag wolle
beschließen:Artikel 1 wird wie folgt
geändert:1a) Nach Nummer 2 wird
folgende Nummer 3 angefügt:Nach Art. 28 Absatz 2 Satz 3
wird folgender Satz 4 angefügt:»Der Gesetz- und
Verordnungsgeber muss Bestimmungen über die Deckung der Kosten treffen, wenn er
die Gemeinden oder die Gemeindeverbände durch Gesetz oder auf Grund eines
Gesetzes zur Erfüllung bestimmter Aufgaben verpflichtet.«b) Nummer 9 wird wie folgt
geändert:Art. 84 Abs. 1 Satz 6 wird
aufgehoben.c) Nummer 10 wird
gestrichen.2. Die Überschrift und die
Nummerierung der nachfolgenden Nummern werden entsprechend geändert.Berlin, den 29. Juni 2006
Gisela Piltz
Sabine
Leutheusser-SchnarrenbergerDr. Guido Westerwelle
Und der Fraktion der FDP
Begründung:
Gegenstand des
Änderungsantrages ist die Verankerung eines strikten Konnexitätsprinzips im
Grundgesetz. Dies soll an die Stelle des vorgesehenen
Aufgabenübertragungsverbots in Art. 84 Abs. 1 und Art. 85 Abs. 1 des GG treten,
das nicht zu der gewünschten Entlastung der Städte, Gemeinden und Landkreisen
führen wird, da die bisherigen Gesetze des Bundes von der geplanten Regelung
ausgenommen und überdies in der Verwaltungspraxis Konstellationen denkbar sind,
in denen es sinnvoll und für die Kommunen von Vorteil ist, die kommunale
Aufgabenträgerschaft unmittelbar in einem Bundesgesetz zu regeln.Die Aufgaben des Staates und
seiner Gliederungsebenen nehmen zu und sind durch die Einbindung als
Vollzugssubjekt der Europäischen Union noch verstärkt worden. Auf der kommunalen
Ebene ist diese Entwicklung besonders nachhaltig und fühlbar. Mit der
Aufgabenvermehrung geht ein Ausgabenanstieg einher, der mit der
Ressourcenverteilung auf den einzelnen staatlichen Ebenen nur noch schwerlich zu
vereinbaren ist. Schwächstes Glied sind dabei die Kommunen. Sie sind Adressat
zahlreicher Aufgabenzuweisungen, verfügen aber nur sehr begrenzt über
entsprechendeEinnahmemöglichkeiten. Es
ist daher erforderlich, die Kommunen durch die Festschreibung eines echten
Konnexitätsprinzips zu schützen, damit die Gemeinden und Gemeindeverbände ihre
originären Aufgaben zum Wohle der Bürger erfüllen können.Eine wirklich effektive
Sicherung des Konnexitätsprinzips für die Kommunen ist zunächst formell nur
durch eine Verankerung in Artikel 28 Abs. 2 GG zu erreichen. Eine Einfügung bei
Artikel 104a Abs. 3 GG, wie sie der 61. Deutsche Juristentag 1996 vorgeschlagen
hat (Beschluss II der Abteilung Verfassungsrecht, in
Sitzungsberichte Bd. II/1, S. M 76) bzw. in den Absätzen 1, 2, 3 oder 5 des
Artikels 104a GG würde ebenso eine Verankerung beispielsweise in Artikel 106
Abs. 8 GG ein kommunal-bezogenes Konnexitätsprinzip nur als objektiven
Rechtsgrundsatz behandeln und damit aus Sicht der Kommunen lediglich begrenzten
Fortschritt bedeuten. Wichtig ist demgegenüber, dass ein verfassungsrechtlicher
Zusammenhang zur Finanzhoheit – in der geltenden Grundgesetzfassung in Artikel
28 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 angesprochen – hergestellt wird und die Kommunen die
Einhal-tung des Konnexitätsprinzips auch verfassungsrechtlich überprüfen lassen
können. Entscheidend ist daher eine Absicherung des Konnexitätsprinzips über die
subjektive Rechtstellungsgarantie der Kommunen, da nur so eine
wirkliche Verknüpfung von Aufgabenzugriff und finanziellem Ausgleich
hergestellt werden kann. Deshalb ist eine Ergänzung des Artikels 28 Abs. 2 GG
um einen entsprechenden Satz notwendig. Bei der Formulierung dieser
Konnexitätsgarantie orientiert sich der Entwurf an jenen Landesverfassungen, die
bereits ein striktes Konnexitätsprinzip enthalten.
Zu den einzelnen
Vorschriften:Zu Nummer 1 Buchstabe a):
Ein striktes Konnexitätsprinzip wird im Grundgesetz in Artikel 28 Abs. 2
verankert.Zu Nummer 1 Buchstabe b):
Das vorgesehene Aufgabenübertragungsverbot in Artikel 84 Abs. 1 Satz 6 wird
gestrichen.Zu Nummer 1 Buchstabe c):
Das vorgesehene Aufgabenübertragungsverbot in Artikel 85 Abs. 1 wird gestrichen.Zu Nummer 2: Bei Übernahme
der Änderung müssen die Überschrift angepasst (Ergänzung um Artikel 28 sowie
Streichung von Artikel 85) und die nachfolgenden Änderungen umnummeriert werden.